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Common Ground: 12 Fragen für ein gemeinsames Fundament


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1. Gibt es zurzeit ein konkretes, gemeinsames Ziel, das wir verfolgen? Wenn ja: Sind Absicht und Sinnhaftigkeit des Ziels innerhalb des Teams bekannt und wird darüber gesprochen?


Die einzelnen Bereiche innerhalb des Unternehmens verbanden sehr unterschiedliche Ziele mit der bestehenden und der neuen Software. So hatten die Kollegen aus der Produktion vor allem im Blick, die Produktionsabläufe möglichst effizient zu gestalten. Sie äusserten die Sorge, dass ihre momentan gut laufenden Prozesse durch die Umstellung behindert werden könnten.
Das Controlling sah einen grossen Vorteil in der neuen Software. Diese könne die bislang mühsam an verschiedenen Orten gesammelten Daten zukünftig einfach und schnell zur Verfügung stellen. Das Marketing konnte keine eigenständige Zielsetzung bezüglich des Projekts formulieren und auch für den Vertrieb war nicht wirklich erkennbar, worin der Vorteil der neuen Software für sie bestehen solle.

Die Ziele innerhalb des Unternehmens klafften also weit auseinander oder konnten nicht einmal benannt werden. Bereits an dieser Stelle wurde für das Management klar, dass es dringend notwendig war, eine gemeinsame Sichtweise herzustellen – obwohl sie gedacht hatten, dass mit den bisher gewählten Massnahmen (z.B. Infomails und Informationen auf der Betriebsversammlung) eine solche bereits bestehen müsste.

2. Gibt es ein strategisch übergeordnetes Ziel?


Diverse Vertreter des Unternehmens wussten nicht, wohin die Firma in den nächsten Jahren steuern wollte. Einige waren der festen Überzeugung, dass die Eigentümerfamilie an einen grossen ausländischen Investor verkaufen wolle. Solcherlei Planungen standen jedoch nicht im Interesse der Eigentümer. Weiterhin kannten viele Beteiligten die Wachstumsziele der kommenden Jahre nicht. Auch den Wertbeitrag des Unternehmens aus Kundensicht konnten die Teilnehmer teilweise nicht konkret benennen.

Wichtige Säulen hinsichtlich Zukunft und Sicherheit von Unternehmen und Mitarbeitern waren nicht geklärt. Diese Erkenntnis wurde in den weiteren Verlauf der Veranstaltung einbezogen: Bislang gingen die Führungskräfte davon aus, dass sie die strategischen Ziele des Unternehmens kennen, nun war ihnen klar, dass die meisten von unterschiedlichen Zielen sprachen. Dieses Delta galt es zu überwinden.

3. Wie schätzen wir die Zukunft ein? Welche Trends sehen wir und welche Chancen haben wir?


Zu Beginn der Bearbeitung dieser Frage waren zahlreiche Teilnehmer der Meinung, dass sie auch in Zukunft problemlos ohne die neue Software auskommen könnten. Ein Mitarbeiter aus dem Bereich der Prozessplanung stellte daraufhin dar, dass zahlreiche Wettbewerber bereits mit ähnlichen Lösungen deutliche Kosten- und Effizienzvorteile gewonnen hätten. Er sah dringenden Nachholbedarf, um den Anschluss an die Konkurrenz in den nächsten Jahren nicht zu verlieren. Diese Sichtweise wurde vorher von kaum jemandem gesehen oder geteilt. Sie trug erheblich dazu bei, dass die Akzeptanz für die Einführung der neuen Software nach der Bearbeitung dieser Frage deutlich stieg.

Manchmal ist es nur eine Person oder ein Argument, das einer Common-Ground-Runde wie ein Aha-Erlebnis eine andere Richtung gibt. Bei dieser Frage geht es aber auch gerade darum, alle Meinungen anzuhören und alle Blickwinkel zu betrachten, um umfassend die Chancen und Risiken des Projekts bewerten und steuern zu können.

4. Wie sprechen wir miteinander? Gibt es eine offene, ehrliche Kommunikation? Was darf ausgesprochen werden?


Die Teilnehmer gaben an, dass sie sich im Vorfeld der Software-Einführung nicht ausreichend informiert und beteiligt gefühlt hatten. Einige Kollegen hatten sogar aktiv Widerstand geleistet, weil sie nicht über den Sinn und Zweck der neuen Software aufgeklärt worden seien. Einige sagten, dass sie in dieser Veranstaltung zum ersten Mal die vollständigen Pläne und Absichten hinter der Software erfahren hätten.

Nach dem kritischen Hinterfragen der Kommunikation wurde auch der generelle Wunsch nach mehr Einbindung und Kommunikation durch das obere Management deutlich. Die Teilnehmer erarbeiteten deshalb eine Entscheidungsgrundlage für die Geschäftsführung. Im Nachgang der Veranstaltung wurde dann eine neue Informations- und Kommunikationsplattform zwischen oberem und mittlerem Management vereinbart.

Auch das kann ein Ergebnis des Common Ground sein: Über die Beschäftigung mit der eigentlichen Themenstellung – hier die neue Software – wird allgemeines Optimierungspotenzial in der Organisation deutlich und kann genutzt werden.

5. Wie sieht der Informationsfluss aus? Fühlen sich alle informiert? Welche Medien nutzen wir, um Informationen auszutauschen?


Diese Frage zielt darauf ab, den Kommunikations- und Informationsfluss im Unternehmen oder Projekt zu analysieren. Hier zeigte sich im Beispiel Unzufriedenheit: Die Teilnehmer beanstandeten extrem lange E-Mails mit Fragebögen und Anhängen. Diese seien von einzelnen Kollegen gar nicht gelesen worden oder wegen einer zu hohen Arbeitsbelastung nicht mit der notwendigen Priorität bearbeitet worden. So blieben einige wichtige Details unabgestimmt, was zu Unklarheiten z.B. bei der Auswahl von Anbietern führte. Noch innerhalb der Veranstaltung konnten einige sehr wichtige Punkte geklärt und für den folgenden Prozess in der Beschaffung berücksichtigt werden.

6. Wie wird die gemeinsame Identität gelebt und gibt es ein Wir-Gefühl?


Für die Einführung einer neuen Software mag diese Frage auf den ersten Blick nicht von höchster Relevanz sein. Es stellte sich jedoch heraus, dass es für die Beteiligten wichtig war, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren und, dass dies insbesondere über die familiären Werte des Unternehmens funktioniert. Auf Grundlage der erlebten Identität konnten die Teilnehmer im Anschluss einen Bezug zwischen der einheitlichen Software und der Strategie des Unternehmens für die nächsten Jahre herstellen. Sie konnten dadurch das Verständnis für die Einführung der Software nochmals erweitern und steigern.

7. Gibt es Werte, die verbindend sind und werden diese innerhalb unseres Unternehmens und gegenüber Externen gelebt? Welche Regeln haben wir?


Anknüpfend an die Identität erarbeiteten die Teilnehmer schnell ein Werte-Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation. Die Rückbesinnung auf die Firmengründer machte deutlich, dass im Unternehmen über die Jahrzehnte immer wieder grosse Umbrüche stattgefunden hatten. Die letzten Jahre wurden von den Teilnehmern jedoch eher als eine ruhige Phase empfunden.

Über den Wert der Innovationsstärke kamen die Teilnehmer zu dem Schluss, dass die Zeit reif sei, wieder einen grösseren Schritt voran zu gehen. Bereits jetzt – nach gut der Hälfte der Fragen – bekundete die Gruppe ausdrücklich, wie wichtig es sei, diesen Schritt gemeinsam und über alle Abteilungen hinweg zu gehen. Die neue Software wurde plötzlich nicht nur als sinnvolle Technologie, sondern darüber hinaus als Chance betrachtet, im Unternehmen wieder mehr zusammen zu wachsen und vernetzter miteinander an Innovationen zu arbeiten.

8. Wer ist für was verantwortlich? Sind die Rollen klar? Sind die Aufgaben klar, die zu der Rolle gehören?


Die Rollen im Projekt schienen zunächst zweifelsfrei verteilt: Für die Software-Einführung ist die IT-Abteilung verantwortlich. Beim weiteren Fragen wurde jedoch deutlich, dass die IT personell nicht in der Lage war, die notwendigen Ressourcen für die Einführungsbegleitung bereitzustellen. Noch in der Veranstaltung legten die Teilnehmer fest, dass aus jeder Abteilung zwei Paten der eigenen IT und dem Software-Anbieter geschult werden, um als Ansprechpartner in ihren jeweiligen Fachabteilungen unterstützen zu können. Auch hier zeigte sich, dass die Klärung der bis dahin bereits gestellten Fragen zu einer deutlich höheren Kooperationsbereitschaft, Lösungsfokussierung und Handlungsfähigkeit führten als vor der Veranstaltung.

9. Wie leben wir Wertschätzung? Wie geben wir Feedback? Wie wird Leistung beurteilt?


Erneut eine Frage, die auf den ersten Blick nicht unmittelbar mit der Software-Einführung zu tun hat. Wie bereits gesehen, können aber auch solche Fragen einen deutlichen Schritt in Richtung Lösungsfindung und gemeinsames Handeln bewirken, und zwar sowohl für das einzelne Projekt als auch für die gesamte Organisation.

So auch im Beispiel: Die Teilnehmer hinterfragten die Feedbackkultur sehr kritisch: Sie wünschten sich die Kommunikation von Person zu Person mit offener und ehrlicher Rückmeldung. Stattdessen werde jedoch häufig hinter verschlossenen Türen bewertet und dabei auch negativ über nicht anwesende Kollegen gesprochen.

Das Top-Management war nach dieser Frage ehrlich erstaunt, welch stark negativen Einfluss die Feedbackkultur in der Projektvorbereitung hatte. Im weiteren Verlauf des Common-Ground-Prozesses wurde die Feedbackkultur für so entscheidend erachtet, dass sie als eines der anzugehenden Handlungsfelder identifiziert wurde. Für den weiteren Projektverlauf wurde vereinbart, ausreichendes Feedback sicherzustellen. In allen Feedbacktreffen stand das Thema nun auf der Agenda und die Teilnehmer wurden im konstruktiven Feedbackgeben geschult.

10. Welche Ressourcen (fachlich, wirtschaftlich, personell, zeitlich etc.) stehen uns zur Verfügung? Haben wir Arbeitsbedingungen, die uns erfolgreich sein lassen?


Dass die IT-Abteilung, die mit dem gesamten Rollout der Software beauftragt war, nicht ansatzweise in der Lage war, eine reibungslose Einführung der Software zu gewährleisten, wurde bereits bei Frage 8 diskutiert. Die Paten aus den Abteilungen, die die IT unterstützen sollten, waren eine pragmatische, schnelle Lösung. Die Paten waren die Hauptansprechpartner und sorgten dafür, dass die Teams die Veränderungen auch nutzen konnten. Bei Problemen gaben die Paten das Feedback an die IT-Abteilung.

11. Welche nächsten Schritte sind für die gemeinsame Entwicklung und das gemeinsame Ziel sinnvoll? Was brauchen wir, um uns alle auf das gemeinsame Ziel dieser Arbeit hier zu verpflichten?


Alle anwesenden 30 Personen stellten sich noch einmal intensiv die Frage, wie sie gemeinsam sicherstellen können, dass die Einführung der neuen Software ein Erfolg wird. Während noch vor der Veranstaltung mindestens ein halbes Dutzend Kollegen die neue Software offen abgelehnt hatten und weitere skeptisch waren, endete die Veranstaltung in zufriedener und ausgeglichener Stimmung und einer positiven Aussicht auf die nächsten Wochen und Monate. Die initialen Probleme waren gelöst und Massnahmen wie das konstruktive und wertschätzende Feedback vereinbart bzw. Entscheidungsvorlagen erarbeitet (für die neue Kommunikationsplattform).

Wenn Sie befürchten, dass die guten Vorsätze auf Dauer nicht eingehalten werden, halten Sie Verhaltensregeln schriftlich fest oder vereinbaren Sie "Wenn xx eintritt, dann yy"-Prinzipien.

12. USP – wofür stehen wir bei unseren Kunden? Wenn es uns nicht gäbe, was würde im Markt fehlen?


Über die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal (USP = Unique Selling Proposition) erarbeiteten die Gruppen aus einem weiteren Blickwinkel heraus, worin der Nutzen der Software und der Nutzen des Unternehmens für den Kunden liegt. Wiederholt stellten sie gemeinschaftlich fest, dass das Projekt keinem Selbstzweck diente, sondern einem höheren Ziel unterstellt war: die besten und innovativsten Maschinen für die Kunden zu konstruieren, zu bauen und in Betrieb zu halten.

Fazit: Gesteigerte Akzeptanz dank gemeinsamen Verständnisses


Beim Maschinenbauer führte der Common-Ground-Prozess zu einem einheitlichen und deutlich erweiterten Verständnis bei allen Teilnehmern hinsichtlich der Einführung der neuen Software. Viele Fragen und Unsicherheiten, die im Vorfeld bestanden, konnten während der Veranstaltung ausgeräumt werden. Die Akzeptanz für die Veränderung stieg ebenso deutlich wie die Bereitschaft zur Kooperation.

Mit dem Abstand von nun einem Jahr betrachtet, lässt sich sagen, dass das gemeinsame Verständnis und auch die während der Veranstaltung gefundenen Lösungen und beschlossenen Massnahmen massgeblich dazu beitrugen, dass die Software erfolgreich eingeführt werden konnte. Gleichzeitig ist mehr Know-how im Team vorhanden, welche Fragen ggf. nochmals besprochen werden sollten.

Durch den Common-Ground-Prozess konnte die notwendige Kraft hinter das Projekt gebracht werden. Auch im späteren Projektverlauf besannen sich die Kollegen immer wieder auf diesen Workshop. Das gemeinsame Verständnis, wofür das Ganze gut ist, half, auch schwierigere Situationen gut zu meistern und Konflikte zu lösen. Noch im Workshop erarbeiteten die Teilnehmer, also die mittlere Führungsebene, individuelle Vorgehensmassnahmen für die weitere Kommunikation mit ihren Mitarbeitern, z.B. eine abgestimmte "Botschaft an die Mannschaft".


Quelle: projektmagazin.de